Fachkräftemangel!


    Im Fokus der KMU Wirtschaft


    (Bild: zVg) Hans-Ulrich Bigler

    In einer lauen Sommernacht schreckte ich kürzlich auf und glaubte, es werde in mein Haus eingebrochen. Trotz Rundgang und Sicherheitscheck liess der Lärm nicht nach. Bis ich schliesslich feststellte, dass ein Marder auf dem Hausdach sein Unwesen treibt. Mit der Nase versuchte er, unter die Ziegel zu kommen und sich an der Wärmedämmung gütlich zu tun.

    Was hat ein Marder mit dem Fachkräftemangel zu tun, werden Sie sich sich bestimmt fragen. Sehr viel, wie gleich aufzuzeigen ist. Auf Grund der Schäden rief ich am nächsten Morgen den Dachdecker an und bat ihn um die notwendige Reparatur. Seine Antwort: Er könne den Auftrag leider nicht annehmen, da er zu wenig Mitarbeiter habe, um die Wünsche all seiner Kunden abzudecken. Typisch KMU-Unternehmer, organisierte er aber flugs einen Ersatz, der sich nun an die Marderbekämpfung macht. Diese kleine Episode zeigt auf: Der Fachkräftemangel ist nicht einfach ein Problem der Wirtschaft. Wir alle sind früher oder später davon betroffen.

    Kürzlich wurde ich von einem Unternehmer gefragt, wo denn all diese Leute hingegangen seien, die uns jetzt in den Firmen fehlen? Eindrücklich schilderte er mir seine Probleme im Arbeitsalltag angesichts offener, nicht besetzter Stellen.

    Zunächst eine simple Antwort. Die Entwicklung kommt nicht überraschend. Ein Blick auf die Demografie gibt frühzeitig die Hinweise. So zeigt die Geburtenrate, wieviele Arbeitnehmende rund 20 Jahre später in den Arbeitsmarkt eintreten. Ebenso ist allgemein bekannt, dass aktuell die sogenannten Babyboomer in Pension gehen und gleichzeitig ein Geburtenknick für weniger Arbeitskräftezuwachs sorgt. Und schliesslich die unangenehme Tatsache: Das Problem wird uns noch einige Jahre beschäftigen.

    Wie konnte es so weit kommen? Schon vor zehn Jahren hat der Bundesrat eine sogenannte Fachkräfteinitiative (FKI) lanciert. Mit dem Ziel, «die Fachkräftenachfrage bis 2020 vermehrt durch Personen aus der Schweiz abzudecken, unter anderem über die Aktivierung freier Potenziale in der Schweizer Erwerbsbevölkerung und der kontinuierlichen Nach- und Höherqualifizierung von Arbeitnehmenden.» Dann wurde viel geredet, und zahlreiche Sitzungen fanden statt. Im Schlussbericht vom 7. Dezember 2018 kam der Bundesrat zum Schluss: «Im Rahmen der FKI ist es gelungen, die Verflechtung aller Aspekte der Fachkräftethematik zu erfassen und die Kräfte der relevanten Akteure zu bündeln, um die Fachkräftesituation in der Schweiz zu verbessern.» Anders gesagt: Das Amtsstuben-Deutsch abgezogen, wurde eigentlich nichts erreicht.

    Heute spricht der Bundesrat von Fachkräftepolitik und verortet einen «hohen Fachkräftebedarf». Zusätzlich angekurbelt «durch die Digitalisierung und das damit einhergehende Beschäftigungswachstum in Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen». Weiter spiele die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften eine wesentliche Rolle.

    Nun könnte man auf der Suche nach simplen Lösungsansätzen zum Schluss kommen: Wir lösen das Problem über die Personenfreizügigkeit. Eindimensionale Diskussionsansätze führen aber selten weiter. Zum einen sind auch die anderen europäischen Länder von dieser Problematik betroffen. Zum anderen – und wichtiger – stellt sich die Frage, ob dieser Ansatz zielführend ist.

    Mit diesem Ansatz muss ebenso diskutiert werden, welches Wachstum in der Schweiz eigentlich anzustreben ist. Entsteht tatsächlich zusätzlicher Wohlstand für unser Land, oder belasten wir durch ein anhaltendes «weiter so» bloss Infrastruktur und Umwelt – ohne Wohlstandsgewinn? Und nicht zuletzt: Soll die Zuwanderung wieder anders gesteuert werden; und wenn ja, in welcher Form? Die Diskussion dazu ist erst im Anlaufen begriffen. Die Dachverbände der Wirtschaft werden nicht umhinkommen, dazu ihre Lösungsvorschläge zu präsentieren.

    Hans-Ulrich Bigler
    Direktor Schweizerischer Gewerbeverband sgv

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