Warum ich keine Jogginghose besitze


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Am Morgen eine Runde Pilates trainieren, danach den Einkauf erledigen und später im Homeoffice arbeiten. Alles im selben Outfit? Das ist auch für modische Menschen längst kein Problem mehr, dank einem Allrounder, der als Gewinner aus dem Lockdown hervorgegangen ist: die berüchtigte Jogginghose. Wahlweise auch Yoga-Pants oder Leggins. Was für den Sport gedacht war, ist längst im Alltag angekommen. Corona hat das Image der Jogginghose vollständig aufpoliert: Sie wurde zur Arbeitsuniform der Privilegierten, die im Homeoffice am Laptop sitzen. Was am Morgen aus dem Kasten gezogen wird, bleibt für die Kollegen unsichtbar, selbst in Videokonferenzen verschwindet die Jogginghose unter dem Arbeitstisch. Die Zeiten haben sich geändert und die Trainingshose hat sich als akzeptable «Cuasal Hosenform» etabliert, so heisst es eben erst kürzlich auf der Website der «Vogue». Sie ist schon längst zum verhätschelten Adoptivkind der Luxusmode-Industrie geworden. Keiner muss sich mehr in dieser Wabbelhose schämen, wenn er – wo auch immer – auf «korrekt gekleidet» Arbeits- und Stadtmenschen treffen sollte. Ja, es ist unglaublich, aber es gibt sie tatsächlich, die leidenschaftlichen Befürworter und bekennenden Träger dieser Hose.

    Aber es gibt natürlich auch Kritiker der behaglichen und wohligen Bekleidungsform. Wie sagte doch der deutsche Designer und Modezar Karl Lager vor einigen Jahren in einer Talkrunde bei Markus Lanz: «Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren». Als heftige Gegnerin der Jogginghose kann ich dem grossartigen Künstler und Stylist nur beipflichten «So ist es !» Ich habe noch nie eine besessen und werde es auch nie tun! Nicht nur das: auch keine Pyjamahose oder andere comfy wear. Nie und nimmer würde ich eine Jogginghose tragen, weder im Spitalbett, noch im Trainingsraum der Reha, geschweige sonst zu irgendeinem Zeitpunkt in meinem Leben. Denn eine Jogginghose ist für mich der Inbegriff von Chaos, Zerfall, Zerstörung und Agonie – alles Attribute, die ich nicht mag. Ich bin ein gut organisierter Mensch mit perfekt geführtem Terminkalender, der während 365 Tage den Wecker auf 5.30 Uhr gestellt hat und innerhalb von zehn Minuten nach dem Aufwachen das Bett verlässt. Es ist für mich selbstverständlich, dass meine Wohnung jederzeit blitzblank geputzt und sorgfältig aufgeräumt ist, und ich mich immer anziehe, als ob ich zu einem wichtigen Termin gehen würde. Schöne Kleider sind nicht nur eine grosse Leidenschaft von mir, sondern auch ein Ausdruck von Respekt und Wertschätzung sowohl gegenüber mir selbst als auch gegenüber meinen Mitmenschen. Ein gut gekleideter Auftritt hat mit Selbstliebe, Selbstwert sowie mit Lebensfreude zu tun. Sie können mich jetzt als Spiesserin, Spassverderberin oder Perfektionisten abtun – was ich bei weitem nicht bin. Auch ich habe meine dunklen Stunden, aber bestimmt ohne Jogginghose.

    Auffällig ist, dass die Jogginghose meist nur zuhause, jedoch selten beim Sport, gerade beim Joggen getragen wird. Daher stammt doch die Bezeichnung für diese Hosenart. Früher liefen die Jogger meist in Schlabber-Trainingshose und Kapuzenpulli durch die Gegend. Die Folge waren eine unansehnliche und mit Schweiss vollgesaugte Trainingsbekleidung. Heutzutage geben die Läufer ein halbes Vermögen für wasserfest und schweissresistente Funktionskleidung aus. Beim Joggen, Laufen oder Walken trägt man eher eine funktionale oft sehr eng anliegende, moderne Sportbekleidung. Wenn ich mich aber so umschaue in unserer hektischen, immer rücksichtsloseren, masslosen und exzessiven Gesellschaft, verstehe ich die Vorliebe für die Jogginghosen: Sie sind bequem, sie halten warm, sie scheuern nicht, sie müssen nicht gebügelt werden, sie sind – meistens – vegan, an ihnen kann kein Hosenschlitz offen stehenbleiben und kein Knopf abfallen, sie sind treue Begleiterinnen in Zeiten von Gewichtsschwankungen und sie sind unisex. Ebenso kann ich es nachvollziehen, wenn sich Arbeiter nach einem anstrengenden Tag und einer erfrischenden Dusche in einer Jogginghose auf die Couch legen – ABER im Kern ist die Jogginghose weiterhin die «stilloseste Hose», die es neben der abgeschnittenen Jeans-Hotpants noch gibt. Noch geschmackloser sind Jogginghosen im Partnerlook….

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

    Vorheriger Artikel«Wir müssen die Wertschöpfung in der Schweiz behalten»
    Nächster ArtikelCorona – der Digitalisierungs-­Booster