Vom Rechtsstaat zur Bananenrepublik


    Blickwinkel


    Dürfen russische Oligarchen zum Wiederaufbau der Ukraine in der Schweiz einfach enteignet werden? Landauf und landab werden teilweise hitzige Diskussionen über dieses Thema geführt.

    Im Artikel 26 der Schweizerischen Bundesverfassung steht folgendes:

    1. Das Eigentum ist gewährleistet.
    2. Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt.

    Eigentum ist ein Grundrecht in der Schweiz, welches nicht einfach willkürlich vom Bundesrat oder dem Parlament ausser Kraft gesetzt werden darf. Ausserdem hat die Schweiz die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO unterzeichnet, welche in Artikel 17 folgendes festhält:

    1. Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen, Eigentum innezuhaben.
    2. Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.

    Seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist alles anders. Die Schweiz schliesst sich trotz ihrer Neutralität den EU Sanktionen an, es wird über Waffen- und Munitionsexporte diskutiert, Banken behandeln Russische Kunden wie Aussätzige und so weiter. Da passt doch die Frage, wer denn für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg bezahlen soll. Reparationszahlungen wird das genannt. Bereits seit den Napoleonischen Kriegen wurden den Aggressoren jeweils Entschädigungen von unterschiedlicher Höhe auferlegt. Einzig die USA verweigern Vietnam bis heute die im Pariser Friedensabkommen vereinbarten Reparationszahlungen oder andere signifikante Entschädigungsleistungen.

    Im Falle der Ukraine kommt die Idee, die beschlagnahmten Vermögen der Oligarchen zu enteignen, gerade recht. Auch die Schweiz denkt darüber nach, wie so etwas rechtlich zu bewerkstelligen wäre.

    Da wird beispielsweise von einem emeritierten Strafrechtsprofessor vorgeschlagen, Putin und seine Getreuen einfach als Terroristen einzustufen. Dann hätte man eine genügende Rechtsgrundlage für die Enteignung. Wenn die Schweiz zu derartigen Rechtfertigungen greifen muss, muss man sich wirklich fragen, ob noch von einem Rechtsstaat gesprochen werden kann. Darf die Schweiz ein Unrecht mit einem anderen rechtfertigen?

    Die Politik tut gut daran, sich an unsere Bundesverfassung zu halten und sich an unseren Grundwerten zu orientieren. Wir können kein Interesse daran haben, dass diese einfach umgangen werden. Auch nicht, um in einem Wahljahr auf Stimmenfang zu gehen.

    Giuseppe Nica,
    Verleger


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