Die Schweizer Armee muss das Land wieder schützen können


    Unternehmer Perspektive


    Das Beispiel der Ukraine zeigt uns dramatisch, dass in Europa nach wie vor mit Kriegen zu rechnen ist. Die Schweizer Armee muss massiv gestärkt werden, um wieder verteidigungs­fähig zu sein.

    Benjamin Wasinger

    Wir leben in unsicheren Zeiten. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der Sowjetunion war der ewige Friede ausgerufen worden, manche sprachen gar vom «Ende der Geschichte». Gemeint war damit, dass Demokratie und Marktwirtschaft alternativlos seien und dass es keine grossen Konflikte zwischen verschiedenen Machtblöcken mehr gebe. Doch nun herrscht plötzlich wieder Krieg – mitten in Europa.

    Der Ausgang und die Dauer des Krieges sind offen, bis zu einer Eskalation unter Beteiligung der Nato ist alles möglich. Noch vor wenigen Jahren versprachen uns der Bundesrat und die Politik, dass ein Krieg in Europa ausgeschlossen sei. Die angrenzenden Länder würden für uns den Luftraum sichern. Wir bildeten uns ein, die beste Armee der Welt zu haben.

    Nicht mehr verteidigungsfähig
    Diese Illusionen sind jäh zerbrochen. Die Realität schlägt mit voller Wucht zurück. Wir stehen vor einem sicherheitspolitischen Scherbenhaufen.

    Die Schweizer Regierung hat unter dem Druck der Mitte-Links-Mehrheit im Parlament unsere Armee kastriert. Wir sind weder in der Luft noch auf dem Boden fähig, unser Land und damit unsere Familien länger als ein paar Wochen zu verteidigen. Der Armee fehlt es an allen Ecken und Enden. Sie hat zu wenig Personal, zu wenig Geld. Es mangelt ihr an modernen Waffensystemen, an Ausrüstung und nicht zuletzt an politischer und gesellschaftlicher Unterstützung.

    Ende der 1980er Jahre hatten wir noch einen Armeebestand von 650’000 Mann und ein Armeebudget von rund 16 Milliarden Franken. Heute ist der Bestand noch bei 100’000 Mann und Frau, mit einem Budget von gut 5 Milliarden. Der Anteil der Ausgaben für die Sicherheit ist dramatisch gesunken, während etwa die Sozialausgaben explodiert sind.

    Nur eine sichere Schweiz kann erfolgreich sein
    So sieht also unsere «beste Armee der Welt» aus. Ihr schlechter Zustand ist nicht nur eine akute Gefahr für unsere Sicherheit und diejenigen unserer Familien und Kinder, er verstösst auch gegen die Verfassung. Denn die Armee hat den verfassungsmässigen Auftrag, die Sicherheit und Unabhängigkeit von Land und Leuten zu schützen. Diesen Auftrag kann sie nicht einmal mehr ansatzweise erfüllen.

    Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren wichtigen Punkt: Die Schweiz kann wirtschaftlich nur erfolgreich sein, wenn ihre Unabhängigkeit und Sicherheit gewährleistet sind. Der sichere Hafen Schweiz existiert bestenfalls noch in unseren Köpfen. Auch die Neutralität ist zwingend mit der Verteidigungsfähigkeit verbunden. Als neutraler Staat haben wir sogar die völkerrechtliche Pflicht, dass wir uns verteidigen können. Denn sonst werden wir zu einem sicherheitspolitischen Vakuum und somit zu einer Gefahr für alle anderen.

    Nicht zu unterschätzen ist ausserdem der gesellschaftliche Nutzen der Armee. Mit ihrem hervorragenden Milizsystem war sie stets ein Garant für eine fundierte Führungsausbildung. Wo sonst lernt man, schon mit 20 Jahren Menschen aller Klassen zu führen? Davon profitiert auch die Privatwirtschaft.

    Taten statt Worte
    Es ist also höchste Zeit, dass wir der Armee wieder mehr Mittel und Personal gewähren, ihr aber auch wieder mehr gesellschaftliche Akzeptanz entgegenbringen. Die ersten, die nach der Armee schreien, wenn es Krieg geben sollte, sind diejenigen, die sie quasi abgeschafft haben. Das sieht man heute mit Blick auf den Ukraine-Krieg: Politiker aller Couleur rufen nach Waffen­lieferungen und Aufrüstung.

    Sie sind beim Wort zu nehmen. Die Schweiz gibt heute nur noch etwa 0.7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Armee aus. Die Nato fordert von ihren Mitgliedern aber mindestens 2 Prozent. Auch in der Schweiz wäre dies dringend nötig. Wir alle sind aufgefordert, genau hinzuschauen, wenn die Parlamentarier das nächste Mal über die Armeeaus­gaben abstimmen. Dann müssen sie den Worten auch Taten folgen lassen.


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    Benjamin Wasinger hat in Zürich Betriebswirtschaft studiert und ist langjähriger CEO und Verwaltungsratspräsident der Wacker Neuson AG, Member des Executive Committee des börsenkotierten und weltweit tätigen Mutterkonzerns mit Sitz in München. Er verfügt über viel internationale Erfahrung, er hat u.a. auch lange Zeit die österreichische Schwestergesellschaft mit Sitz in Wien geführt. Der Vater dreier Töchter wohnt in Stäfa.

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